energate News: Badenova glaubt an Transformation mit Wasserstoff

Freiburg (energate) - Der Freiburger Regionalversorger Badenova setzt große Hoffnungen auf Wasserstoff, um die eigene Gasinfrastruktur zu dekarbonisieren. Auch deswegen hat das Unternehmen schon sehr frühzeitig begonnen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Badenova-Netze-Geschäftsführerin Julie Bürkle-Weiß sprach im energate-Interview von einer "großen Aufgabe", die vor ihr und ihrem Unternehmen liegt. Die Badenova-Netztochter betreibt in 158 Kommunen in Baden-Württemberg über 8.500 Kilometer Erdgasleitungen. "Für mich war immer klar: Das ist eine sehr wertvolle Infrastruktur, die wir genau bewerten sollten", so Bürkle-Weiß.

Erdgas-Ausstieg politisch festgesetzt

Die Nutzung für Erdgas ist allerdings endlich, denn der Ausstieg ist politisch beschlossen und auf das Jahr 2045 festgesetzt. Erste Kommunen und Versorger - wie zum Beispiel die Mannheimer MVV - haben den Exit aus fossilem Gas bereits vorgezogen und wollen 2035 aussteigen. Das allerdings nicht zur Begeisterung aller Beteiligten. Unter dem Namen "Mannheim gibt Gas" hatte sich im Februar eine Bürgerinitiative gegen den Gasausstieg bis zum Jahr 2035 gegründet. Bürkle-Weiß hofft an der Stelle, die Kommunen und Privatkunden besser mitnehmen zu können. "Ich halte es für wichtig, dass diese Diskussion sachlich geführt wird, damit keine unnötigen Unsicherheiten entstehen. Ich glaube aber, wir sind auf einem guten Weg."

Leitplanung statt Stilllegungsplan

Dazu gehöre unter anderem, dass die Badenova keinen "Stilllegungsplan" für die Gasinfrastruktur aufstellt: "Wir sprechen lieber von einer integrierten Energieleitplanung." Dabei nimmt das Unternehmen gemeinsam mit Partnern die Versorgung und Gegebenheiten der jeweiligen Kommune genau unter die Lupe, auch auf Basis der kommunalen Wärmeplanung. Bislang mit klarem Ergebnis pro Gasnetz: "Bisher gab es keinen Fall, der nahegelegt hätte, eine Kommune stillzulegen", sagte die Netze-Geschäftsführerin. Zwar ist auch bei der Badenova der Netzausbau nahezu zum Erliegen gekommen. Denn die Anzahl neuer Erdgashausanschlüsse ist von 3.500 auf rund 250 bis 500 pro Jahr gesunken. Die Abkehr vom Erdgas gilt aber nur für Privathaushalte, bei Industrie und Gewerbe sieht das schon ganz anders aus. "Viele Industriebetriebe haben ihre Leistungen eher erhöht", so Bürkle-Weiß.

Industrie mit hohem Wasserstoffbedarf

Die Erdgaskunden von heute sind für die Badenova die potenziellen Wasserstoffkunden von morgen. "Wir haben in der Region sehr viele Industriebetriebe, die perspektivisch Wasserstoff nutzen wollen - und dafür hohe Leistungen benötigen, um ihre Produktionsprozesse aufrechtzuerhalten", so die Geschäftsführerin gegenüber energate. Dazu gehören eine große Chemieindustrie und Aluminiumbranche. Hinzu kommen einige Holzverarbeiter mit Trocknungsprozessen, bei denen es ebenfalls schwierig sei, alles zu elektrifizieren, und für die Wasserstoff "definitiv ein wesentliches und sinnvolles Medium für die Transformation" sei.

Wasserstoff im Wärmemarkt: "Ich bin da offen"

Im ersten Schritt prüft die Badenova-Netzgesellschaft deswegen nun, wie sie große Industriecluster sinnvoll mit Wasserstoff versorgen kann. Darüber hinaus gebe es aber auch Planungen, große Raumwärmekunden zu bedienen. Viele andere Versorger bewerten die Lage an der Stelle anders, haben Wasserstoff im Wärmemarkt schon eine Absage erteilt. "Ich bin da offen, weil ich glaube, dass es ganz unterschiedliche Lösungen geben wird", sagte Bürkle-Weiß. Dennoch ist auch für sie klar, dass "wir in Zukunft keine 8.500 Kilometer Leitungsnetz mehr sehen werden". Dies schon allein durch den Umstand, dass die künftigen Wasserstoffkunden sehr stark geclustert und damit gut über die bestehenden Erdgas-Hochdruckleitungen erreichbar sind.

Badenova verlegt erste Wasserstoffleitungen

Für die Wasserstoffpläne der Badenova ist aber neben der Umrüstung auch ein Neubau von Leitungen vorgesehen. Im Mai hatte das Unternehmen sogar schon begonnen, erste Rohre zu verlegen. Es handelt sich dabei um das Projekt "H2@Hochrhein", das auch Teil des Wasserstoff-Kernnetzes ist. Das Vorhaben hatte es nach "massiven Bemühungen" des Regionalversorgers noch auf den letzten Metern in das Kernnetz geschafft. Das Land hatte einen entsprechenden Antrag bereits 2022 bewilligt, weshalb nun frühzeitig die Bagger rollen konnten. Für die ansässige Industrie sei der Baustart ein wichtiges Signal, betonte Bürkle-Weiß. "Denn wenn es uns nicht gelingt, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die nötige Infrastruktur bereitzustellen, ist der Wirtschaftsstandort in seiner Substanz gefährdet."

Was kommt nach dem Kernnetz?

So groß die Freude der Badenova über die Berücksichtigung in den Plänen für eine "Wasserstoff-Autobahn" ist, so unklar ist aber auch die Perspektive auf das, was danach kommt. "Nach dem Kernnetz ist eigentlich noch nichts endgültig geklärt", beklagte Bürkle-Weiß. Das betrifft zum Beispiel die zu erwartende Eigenkapitalverzinsung. Das sei vor allem schwierig mit Blick auf die bevorstehende Investorensuche. "Man muss auch sagen, dass selbst bei den Kernnetzmodalitäten der ein oder andere nicht kommunale Investor - etwa große Versicherer - mehr Klarheit und Sicherheit erwartet", führte die Netz-Chefin weiter aus. Aber auch kommunale Akteure betrachteten die Rahmenbedingungen zunehmend kritisch. Die Branche drängt schon seit Längerem darauf, nach dem Kernnetz nun auch die Verteilung von Wasserstoff in den Blick zu nehmen.So fehlt etwa noch das entsprechende rechtliche Gerüst. Im Februar hatte das Stadtwerkenetzwerk Thüga mit einem Rechtsgutachten zumindest einen Vorstoß gewagt, wie sich die Regelungslücken schließen lassen könnten.

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