energate News: Hohe Preise bremsen deutschen Wasserstoffmarkt
Münster (energate) - Die Westfalen-Gruppe hat ihre Hoffnungen auf einen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft schon jetzt ins nächste Jahrzehnt verschoben. Weil die Entwicklung in Deutschland auf der Stelle tritt, hat das mittelständische Unternehmen seine Ambitionen im Wasserstoffgeschäft der Realität angepasst, wie Thomas Perkmann, Vorstandsvorsitzender der Westfalen AG, bereits bei der Bilanzpressekonferenz im Juli erläuterte. "Wir müssen uns auf jene Projekte fokussieren, die sich für unsere Kunden rechnen", führte er nun im Interview mit energate weiter aus. Diese lägen - zu seinem Bedauern - nicht im deutschen Kernmarkt, sondern eher in den europäischen Nachbarländern.
Das zentrale Problem sieht Perkmann in den viel zu hohen Preisen für grünen Wasserstoff, vor allem, wenn versucht werde, damit den Einsatz von Erdgas in der Industrie zu substituieren. "Da haben wir heute einen Unterschied um den Faktor 6 bis 7. Das ist zu viel und daher unrealistisch", so Perkmann weiter, "genau deshalb entwickelt sich der hiesige Wasserstoffmarkt nicht."
Ganz ähnlich argumentierte jüngst auch eine Studie der Tüv-Nord-Tochter DMT Energy Engineers. In einer Untersuchung zu den Wasserstoffperspektiven in der Emscher-Lippe-Region stellte der Beratungs- und Ingenieurdienstleister fest, dass die Kosten für grünen Wasserstoff eine erhebliche Hürde für den Markthochlauf darstellten. Das gelte selbst für eine Region, die mit der Ruhr-Oel-Raffinerie in Gelsenkirchen, dem Chemiepark Marl und einer hohen Dichte mittelständischer Betriebe eigentlich optimale Voraussetzungen für den Einsatz von Wasserstoff mit sich bringe.
"Der Mittelstand wird komplett ignoriert"
Gerade der Mittelstand mit all seinen Möglichkeiten werde heute jedoch beim Thema Wasserstoff komplett ignoriert, kritisierte Perkmann. Westfalen zählt als Familienunternehmen über 60.000 klein- und mittelständische Unternehmen zu seinen Kunden. In zahlreichen Pilotprojekten wurden mit der Klientel gemeinsam Wasserstofflösungen entwickelt, die funktionieren. "Am Ende sagen jedoch die Unternehmen, den Preis können wir nicht zahlen beziehungsweise den Mehrpreis bekommen wir nicht bezahlt von unseren Kunden, und steigen deshalb wieder auf Erdgas um", so der Westfalen-Chef. Diese Entwicklung vollziehe sich so in der gesamten Breite.
Grüner Wasserstoff funktioniere nur in Nischenmärkten, etwa beim Ersatz von grauem Wasserstoff in Raffinerien. Hier liege der Preis-Gap bei einem Faktor von zwei bis drei und sei damit "irgendwie überbrückbar". Konventionellen durch grünen Wasserstoff zu ersetzen, sei ein pragmatischer Ansatz, den auch das Nachbarland Österreich verfolge und den Perkmann als Vorbild sieht. Deutschland dagegen beginne mit teuren Großprojekten wie der Umstellung der Rohstahlproduktion und investiere in Netze, denen die Abnehmer fehlen, weil am Ende niemand bereit sei, das geltende Preisniveau zu bezahlen. Um mit dem Wasserstoff ans Erdgas heranzukommen, müssten aus seiner Sicht zunächst zwei Dinge passieren: "Erdgas muss durch CO2-Bepreisung teurer werden - ohne unsere Wirtschaft zu stark zu belasten - und der Wasserstoff muss deutlich, deutlich günstiger werden."
Hausgemachte Probleme
Hier sieht Perkmann auch hausgemachte Probleme, die Wasserstoff künstlich verteuern. Mit den RED-II-Kriterien zur Gleichzeitigkeit und Zusätzlichkeit werde die jährliche Auslastung von Elektrolyse-Anlagen enorm reduziert, "was jeden Business Case unnötig belastet". Das betreffe auch die finanzielle Förderung für Wasserstoffprojekte. Hier spricht Perkmann aus leidlicher Erfahrung. In Bayern plante sein Unternehmen den Aufbau einer Elektrolyse-Anlage, die Strom aus einer Müllverbrennung nutzt. "Als wir den Förderantrag eingereicht haben, war dieser Strom noch grün genug, als wir den Bescheid bekommen haben, nicht mehr." Das Projekt musste daraufhin beendet werden, weil es sich nicht mehr gerechnet hat.
Wenn der Hochlauf jetzt nicht über regulatorische Impulse angeschoben und die künstlich engezogene Bremse gelöst werde, gebe es keine Möglichkeit, mit Wasserstoff in die Breite zu gehen, ist sich Perkmann sicher. Die Politik müsse vor allem beim Strom ansetzen und diesen günstiger machen. Davon lebe nicht nur die Elektrolysetechnologie, sondern auch Wärmepumpen und die E-Mobilität. Dies sei besser, als "am hinteren Ende Wärmepumpen, E-Autos und Elektrolyseure mit komplexen Instrumenten und hohem bürokratischen Aufwand zu fördern".