energate news: Wasserstoffbeschleunigungsgesetz - Wirtschaftsministerium öffnet Tür für blauen Wasserstoff
Berlin (energate) - Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) will den Markthochlauf von Wasserstoff deutlich beschleunigen. Dazu setzt sie erneut auf die Einstufung von Wasserstoffprojekten als im "überragenden öffentlichen Interesse", wie sie es schon beim Entwurf für das sogenannte CCS-Gesetz gemacht hat. Dadurch, und indem die Projekte als "der öffentlichen Sicherheit dienend" deklariert werden, sollen sie in Genehmigungsverfahren vorrangig zu berücksichtigen sein - ähnlich wie bereits beim Ausbau der erneuerbaren Energien.
Das überragende öffentliche Interesse galt im Gesetz der Ampel-Koalition beispielsweise für Elektrolyseure bis Ende 2029 nur, wenn sie direkt mit Erneuerbarenanlagen verbunden waren oder der Strom zu mehr als 80 Prozent aus erneuerbaren Energien stammte. Laut dem neuen Referentenentwurf, der energate vorliegt, gilt es nun generell und unbefristet bis zum Erreichen der Netto-Treibhausgasneutralität im Jahr 2045.
Gemeint sind neben Elektrolyseuren unter anderem auch Anlagen zur Speicherung von Wasserstoff, der Import - auch von Methanol und Ammoniak, Wasserstoffleitungen und Stromleitungen. Bei wasserrechtlichen Verfahren gilt das öffentliche Interesse allerdings nicht, wenn die Wasserentnahme die öffentliche Wasserversorgung oder den Wasserhaushalt erheblich beeinträchtigen kann.
Erneuerbarer Strom tritt in den Hintergrund
Ziel sei es, die Versorgung mit Wasserstoff sicherzustellen, heißt es in Paragraf 1 des neuen Entwurfs. Ferner solle eine treibhausgasneutrale, sichere und umweltverträgliche Erzeugung gesichert werden. Im alten Gesetz war noch die Rede davon, dass diese Erzeugung aus erneuerbaren Energien gesichert werden solle. Paragraf 2 nennt zwar weiterhin Stromleitungen zur direkten Versorgung mit Strom "aus erneuerbaren Energien", aber der Zusammenhang zur Privilegierung entfällt.
Der neue Entwurf verzichtet somit bewusst auf die pauschale Verknüpfung von Förderwürdigkeit bzw. öffentlichem Interesse mit der Nutzung von erneuerbarem Strom. Auch in den Erwägungsgründen des alten Gesetzes wurde mehrfach hervorgehoben, dass Wasserstoff auf Basis von erneuerbaren Energien erzeugt werden solle. Diese Betonung fehlt in der neuen Gesetzesbegründung weitgehend. Stattdessen ist nur von "klimaneutral erzeugtem Wasserstoff" die Rede. Neben dem "grünen" Wasserstoff könnte somit auch "blauer" Wasserstoff aus Erdgas zum Zuge kommen, wenn das bei der Herstellung entstehende CO2 abgeschieden und gespeichert wird (CCS - Carbon Capture and Storage).
Heimische Förderung wird möglich
Für die geplante Beschleunigung setzt das Wirtschaftsministerium auch auf die Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der Öffentlichkeitsbeteiligung. Für die Prüfung von Antragsunterlagen und die Erteilung von Genehmigungen werden feste Fristen eingeführt. Für viele Genehmigungsverfahren entfällt zudem der Erörterungstermin. Im alten Gesetz konnte unter gewissen Umständen darauf verzichtet werden, im neuen Entwurf ist er grundsätzlich gestrichen. Einwendungen können ausschließlich von der betroffenen Öffentlichkeit erhoben werden - die Fristen werden verkürzt.
Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich Wasserstoffinfrastruktur soll erleichtert und Gerichtsverfahren gestrafft werden. Auch die Zuständigkeiten werden etwas genauer festgelegt. So sind Oberverwaltungsgerichte nicht nur für große Elektrolyseure ab 30 MW erstinstanzlich zuständig, sondern auch für Speicher ab 25 Tonnen. Zudem werden Aufsuchung und Förderung von "natürlichem Wasserstoff und Helium als wichtige Rohstoffe für die deutsche Wirtschaft und Industrie erleichtert." Dies geschieht, indem Helium und Wasserstoff ausdrücklich in den Katalog der bergfreien Bodenschätze aufgenommen werden. Bislang wurde in Deutschland kein natürlicher Wasserstoff gefördert.
Zweifel an Wasserstoffhochlauf wachsen
Zuletzt hatten etliche Nachrichten Zweifel am Gelingen des Wasserstoffhochlaufs geweckt. So hatte beispielsweise der Stahlkonzern Arcelor Mittal seine Green-Steel-Transformationspläne für die Produktion in Deutschland weitgehend auf Eis gelegt. Seine Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt will er bis auf Weiteres nicht wie bislang geplant auf wasserstofffähige Direktreduktion (DRI) und Elektrolichtbogenöfen umstellen. Auch beim Thema Wasserstoffmobilität geht es nicht voran. Hinzu kommt, dass Wirtschaftsministerin Reiche bei den geplanten Gaskraftwerken im Rahmen der Kraftwerksstrategiewohl zunächst auf eine verbindliche Umrüstung auf Wasserstoff verzichten will. Kritiker werfen ihr vor, auch den Erfolg des Wasserstoff-Kernnetzes aufs Spiel zu setzen, da sie CCS an Gaskraftwerken zulassen will. Wichtige Ankerkunden für das Kernnetz könnten so verloren gehen.
Auf Kritik, beispielsweise durch den Energieverband BDEW, stoßen zudem die geplanten Haushaltskürzungen bei der Förderung des Wasserstoff-Hochlaufs. "Hier sehen wir mit Sorge, dass die Finanzplanung der Nationalen Wasserstoffstrategie bis zum Jahr 2032 auf ein Drittel reduziert wird", sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Haushaltsmittel für die wichtige systemdienliche sowie Offshore-Elektrolyse fehlten. "Hier muss dringend nachgebessert werden", so Andreae. Der Wasserstoffhochlauf dürfe dabei nicht unter Finanzierungsvorbehalt stehen.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht beim Gesetzesentwurf noch Verbesserungspotenziale: "So bleibt unverständlich, warum die vorgesehenen Sonderregelungen für Fristverkürzungen sowie die Zentralisierung und Digitalisierung von Verfahrensschritten nicht für alle Genehmigungsverfahren eingeführt werden", sagte Sebastian Bolay, DIHK-Bereichsleiter Energie, Umwelt, Industrie. Zudem sollten die Erleichterungen des Beschleunigungsgesetzes noch stärker ausgeweitet werden, forderte er.